FILMSPUTNIK 011
Donnerstag, 20.4.2017,
Einlass 19:30
Filmstart: 20:15
Bunica
2005, AT LUX 80 min
rumänisch, franz. mit engl. UT
Ein Film von Elke Groen und Ina Ivanceanu
In Anwesenheit der Regisseurinnen
Moderation Hannes Gellner
Die Briefträgerin bringt Bunica die Rente. 671.000 Lei in großen Scheinen. „Behalten sie das Kleingeld,“ sagt Bunica. Es ist Bunicas Rente sowie die Rente ihres verstorbenen Mannes. „ Es fehlt noch die Entschädigung für ehemalige politische Gefangene“, beschwert sich Bunica. „Wie soll man mit so wenig Geld überleben, wenn die Miete schon 580.000 ausmacht?“ Die elegante Wohnung, die an Sissis kaiserliche Apartments erinnert, ist ein Echo auf bessere Zeiten. In den 1930er Jahren war ihr Domizil „fünf mal so schön“, obwohl auch jetzt Lilien-Tapeten, Marmor-Statuen und wertvolle Gemälde die Wände zieren. Als Karl II. von Hohenzollern König von Rumänien war und Bunicas Vater der Vize-Bürgermeister von Bukarest, gebrach es ihrer Familie an nichts. Nach dem Krieg, unter kommunistischer Herrschaft, musste sie jedoch als Angehörige des alten Adels mit einer Einzimmerwohnung Vorlieb nehmen und verdingte sich als Autobusfahrerin und Mitarbeiterin einer Holzfabrik.
Leichtfüßig und wie beiläufig öffnen die Regisseurinnen kleine Fenster zum Alltag der Menschen, mit denen Bunica zu tun hat. Der junge Nachbar, der als Kellner auf einem Kreuzfahrtschiff die Weltmeere bereist, die Blumenverkäuferinnen auf dem Markt, der befreundete Abgeordnete, der an der Abzocke durch die Regierung und bitteren Armut der Menschen nichts zu ändern vermag, die Kleinstbauern, die ein paar Lei dazuverdienen, indem sie mit ein bisschen Käse, Joghurt und Lauch hausieren gehen, die Roma, die auf den Straßen Altmetall einsammeln und mit dem kargen Erlös nicht genug Futter für ihren abgemagerten Gaul kaufen können. Die Hoffnung auf bessere Zeiten, die das Volk ergriff, als der Tyrann Ceaușescu am 25.12.1989 vor laufenden Fernsehkameras hingerichtet wurde, hat sich nur teilweise erfüllt. Dieses sensible Zeitdokument, das mit behutsam komponierten Bildern und eindrücklichen Archivaufnahmen besticht, konstruiert um das Leben der Bunica Ana Ionescu das liebevolle Portrait eines Landes am Rande des Nervenzusammenbruchs. HG
Danke für: Unterstützung durch VDFS, Kooperation mit ADA, Joint Venture mit Dominik Nostitz und Verein 08